dragoSchriftarten II


Diese Stichworte stehen derzeit zur Verfügung: Antiqua; Bastarda; Beneventana; Buchschrift; Capitalis; Fraktur; gotische Minuskel; Halbkursive; Halbunziale; Kalligraphie; Kanzleischrift; karolingische Minuskel; Kurrentschrift; Kursive; Lateinschrift ; Ligatur; Nationalschriften ; Rotunda ; Textura; Unziale; Urkundenschrift.


Antiqua.

Bezeichnung für die von den italienischen Humanisten nach Vorbildern in karolingischer Minuskel gestaltete humanistische Minuskel, die auch in das System der Druckschriften, zuerst 1456 von Sweynheim und Pannartz in Subiaco, übernommen wurde. Der Name geht darauf zurück, daß man seit Petrarca (1304 - 1374) die Schrift der Klassikerhss. der Karolingerzeit als antik ansah. Vollendete A. unterscheidet sich von karoling. Minuskel oft nur in der Anwendung des i- Punktes , Verwendung von rundem s und r in der Wortmitte oder durch konsonantisches v am Wortanfang. Als erster hat der Florentiner Staatskanzler Coluccio Salutati (1330 - 1406) mit der Schrifterneuerung experimentiert, zur Verbreitung hat vor allem Poggio Bracciolini (1380 - 1459) beigetragen. Auf Niccolò Niccoli (1364 -1437) geht eine kalligraphische kursive Variante zurück, die von Aldo Manuzio 1501 in den Buchdruck eingeführt wurde.

Lit.


Bastarda .

Bezeichnung für spätma. gotische Schriften, die Merkmale verschiedener Schriftgenera, vor allem von Kursive und Textura, in sich vereinigen, neuerdings auch als Hybridschriften bezeichnet. Bekannteste Form ist die burgundische B., die im 15.Jh. aus der frz. Kanzleikursive stilisiert wurde. Im frühen Buchdruck wurden B. für deutsche Texte verwendet.


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Buchschrift.

Allgemeine Bezeichnung für die kalligraphisch geprägten Schriftarten, die in Handschriften Anwendung finden, wobei am Ende eines jeden Buchstabens das Schreibwerkzeug vom Beschreibstoff abgehoben wird. Im Gegensatz zu den kursiv beeinflußten, auf Schreibgeschwindigkeit hin ausgelegten Geschäfts- oder Urkundenschriften weist die Buchschrift ein schöneres Schriftbild und meist eine bessere Lesbarkeit auf . Allerdings ist im 6.Jh. auch die Kursive vereinzelt als Buchschrift nachweisbar ( CLA 304, 324, 973).
Hauptarten sind Unziale, Halbunziale, Nationalschriften, präkaroling. und karoling. Minuskel, gotische und humanistische Minuskel. Als Gegensatz: Geschäftsschrift, Kanzleischrift, Urkundenschrift


Capitalis .

Diese älteste Form der römischen Schrift ist zunächst nur epigraphisch nachweisbar*. Als hauptsächliche Buchschrift im 5. Jh. n. Chr. von der Unziale verdrängt, als Auszeichnungschrift weiter gebräuchlich für Rubriken, Kapitelanfänge usw. Der Name C. ist mittelalterlich und von capitulum abgeleitet. Die c. quadrata , auch als monumentalis bezeichnet, weist statisch gebaute, in ein Quadrat einschreibbare Buchstaben auf (z.B. Vergilius Augusteus = Vat.lat. 3256). Die c. rustica ist stärker kursiv beeinflußt und vor allem in Hss. als eigentliche Buchschrift nachzuweisen (Vergilius Romanus, Vat.lat.3867). Unsere Großbuchstaben lassen sich weitgehend auf die C. zurückführen.

Übersicht von Schriftbeispielen

Capitalisalphabet
Und hier ein Beispiel für eine Rustica des 9. Jh.: Rustica aus Vivianus-Bibel

* Als epigraphische Schrift behauptet sie sich bis zum Eindringen der gotischen Maiuskel, die durch unziale Formen (typisch das d, m und u ) gekennzeichnet ist, im Laufe des 12. Jh.


Fraktur

Ursprünglich eine längliche Kanzleischrift der spätmittelalterlichen Reichskanzlei, in ähnlichen Formen auch in Böhmen und Nürnberg gebräuchlich. Vorformen der F. gebrauchte der Kanzleischreiber Wolfgang Spitzweg bereits in den Lehrbüchern für den späteren Kaiser Maximilian I., dessen von J.Schönsperger in Augsburg hergestellten Liebhaberdrucke, das Gebetbuch (1513) und der Theuerdank (1517), für dessen Typen der kaiserliche Sekretär Vincenz Rockner die Vorlage schrieb, für eine rasche Verbreitung der F. als Druckschrift sorgten. Als Druckschrift für dt. Texte war sie bis zur Abschaffung durch die Nationalsozialisten 1941 in Gebrauch, obwohl bereits zu Beginn des 20.Jh. ein heftiger Streit zwischen Anhängern der F. und der Antiqua ausgebrochen war.


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Geschäftsschrift .

Sammelbezeichnung für Schriften meist kursiven Charakters, die für Aufzeichnungen aller Art von nicht berufsmäßigen Schreibern als Gebrauchsschrift benutzt wurden. Im engeren Sinne Bezeichnung für die von Geschäftsleuten benutzten Schriften, die seit dem späteren MA. in grösserem Umfang überliefert sind. > Buchschrift, > Kanzleischrift., > Kursive


Gotische Schriften ( gotische Minuskel ).

Sammelbezeichnung für die aus der karolingischen Minuskel entwickelten Schriften des 12. bis 15.Jh., die Brechung, Bogenverbindungen und als kursives Element Mitschreiben der Luftlinien aufweisen. Dabei ist die Brechung, d.h. die Umgestaltung von Bögen in Winkel, in West- und Mitteleuropa meist stärker ausgeprägt als in italienischen Handschriften.

Beispiele für Bogenverbindungen aus einem Breviarium der Franziskanerbibliothek in Kotor (Cattaro) sehen sie hier: (anklicken, um eine größere Version zu sehen)

Während in Büchern die Minuskelschrift vorherrscht, geht im Bereich der Epigraphik eine gotische Maiuskel der Minuskel voraus.

Eef Overgaauw, Die Nomenklatur der gotischen Schriftarten bei der Katalogisierung von spätmittelalterlichen Handschriften, Codices manuscripti 17 (1994) S. 100–106


Goticoantiqua.

Mischformen zwischen gotischer Rotunda und humanistischer Schrift, die im 15. Jh. zunächst in Italien geschrieben wurden, durch Studenten und Gelehrte aber auch in Deutschland Verbreitung fand und die Bastarda verdrängte. Zunächst auch in Wiegendrucken verwendet, wurde sie von dt. Buchdruckern in den 80er Jahren des 15.Jh. für lateinische Texte durch die Rotunda ersetzt, für dt. Texte durch Bastarda


Halbkursive .

Kalligraphisch stilisierte Kursive unterschiedlicher Ausprägung, die in Italien, vor allem aber im Merowingerreich (Corbie, Luxeuil) im späten 7. und 8. Jh. als Buchschrift geschrieben wurde und zu den Vorläuferschriften der karolingischen Minuskel gehört. In der älteren Literatur wird die H. auch als langobardische und merowingische Schrift bezeichnet, die jetzige Bezeichnung geht auf den Einfluß von L.Traube und seiner Schule zurück.


Halbunziale .

Seit dem 6.Jh. neben der Unziale als frühma. Buchschrift überliefert, die zunächst vor allem für patristische und juristische Texte Anwendung fand. Durch Kalligraphisierung aus der jüngeren Kursive entwickelte Minuskelschrift, die im 5.Jh. im christlichen Nordafrika entstanden ist. Ein frühes datiertes Beispiel ist der im Kreis exilierter Bischöfe aus Nordafrika in Cagliari 509/10 redigerte Hilarius- Codex (Arch.S.Pietro D.182). Bis ins 8.Jh. weit verbreitet, wird H. im 9.Jh. nur noch in einigen Schriftzentren wie Tours und den von dort beeinflußten Fulda, Salzburg und Freising als Auszeichnungsschrift weiter verwendet. Die H. ist die Grundlage für die karolingische Minuskel.


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Kalligraphie ( gr. kalów 'schön', graf´h ' Schrift ' )

Grundprinzip der Schriftgestaltung in allen Schriftsystemen, eher statische Konstruktion der Buchstaben zur Erzielung eindeutiger, klarer und schöner Formen und dadurch meist besserer Lesbarkeit. K. wird eher "gemalt" als gezogen und geschrieben. Die Mehrzahl der Buchschriften gehört in den Bereich der K. Die Erneuerung des Formenkanons der Schrift nach Phasen der kursiven Umgestaltung ist meist von der K. beeinflußt. Auch bei der Entwicklung typographischer Schriften ist K. ein wichtiges Prinzip. Dabei findet teilweise sogar der Goldene Schnitt Anwendung. Bei Teilalphabetisierung liegen dem Schreibunterricht zwar kalligr. Schriften zugrunde, die Ausführung entspricht aber wegen der zu geringen Übung meist nicht den Ansprüchen der K.


Kanzleischrift .

Bezeichnung für die in Kanzleien (mlat. cancellaria), den Beurkundungsstellen von geistl. und weltl. Herrschern, Städten usw., angewandten kursiven oder kursiv beeinflußten Schriften für Urkunden und Aktenstücke. In ma. Tradition werden auch in der Neuzeit die Einleitungsteile graphisch hervorgehoben. In den für die Expedition bestimmten Stücken wird die K. stärker verschnörkelt als in den internen Schriftstücken.


Karolingische Minuskel .

Bezeichnung für die im abendländischen Schriftwesen vom ausgehenden 8. bis ins 12.Jh. vorherrschende Minuskelschrift, die um 1400 von den Humanisten (Antiqua) wieder aufgegriffen wurde und daher Grundlage der heutigen Schreib- und Druckschriften bildet. In verschiedenen Zentren des fränkischen Reiches (Corbie, Tours, Luxeuil, Laon) entstanden durch Kalligraphisierung der Kursive Minuskelschriften. Unter dem Einfluß der Hofschule kam es zu einer allmählichen Vereinheitlichung und Verbreitung der Formen: unziales a, g mit Köpfchen, Reduzierung von Ligaturen auf ct und st, die dennoch regionale und örtliche Stileigenheiten zulassen. Zunächst ist die karoling. Minuskel rechtsgeneigt, in der Spätphase ist sie aufgerichtet oder weist sogar Linksneigung auf. Sie verbreitet sich auch in den Missionsgebieten Ostmitteleuropas; in England und Süditalien wird sie im 11.Jh. durch die normannischen Eroberer eingeführt, kann sich aber nicht sofort flächendeckend durchsetzen. Gleichzeitig wird auch die westgotische Schrift durch die K. verdrängt. Im Laufe des 12.Jh. setzt die Entwicklung zur gotischen Minuskel ein, zunächst in Westeuropa.

karolingische Minuskel Alphabet der karolingischen Minuskel aus dem Pal. lat. 1877, fol. 1r

Weitere Schriftbeispiele


Kurrentschrift (lat. currens "laufend")

Bezeichnung für eine zügig geschriebene Schrift kursiven Charakters ("Schreibschrift") im Gegensatz zur Druckschrift. Im engeren Sinn Bezeichnung für die bogenreiche Kanzleischrift des späten 15. und 16. Jh. , die lässig und rasch geschrieben wurde. Die Buchstaben eines Wortes wurden miteinander verbunden. Die deutsche K. ist eine Weiterentwicklung der gotischen Bastarda


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Kursive .

Bezeichnung für Gebrauchsschriften, deren älteste Zeugnisse in den Inschriften von Pompei und auf zahlreichen Papyri überliefert sind. Die K. ist die Schrift des Alltags, die vor allem in Urkunden auftritt, in Büchern als Glossenschrift oder für Korrekturen. Vollständige Hss. in K. sind äußerst selten. Die Formen der K. entstehen aus den Buchstaben der Kapitalis, die durch die der Beschleunigung des Schreibens innewohnende Dynamik verändert werden. Wesentliche Elemente der römischen Kursiven sind Vereinfachung und andersartige Zusammenfassung der Bausteine der Einzelbuchstaben (Änderung der Schreibrichtung), Verbindung von Buchstaben ( Ligatur) und Mitschreiben der Luftlinien. Gegen Ende des 3. Jh. kann man den Übergang von der älteren Majuskelk. zur Minuskelk., der jüngeren römischen K. in den Papyri beobachten. Oberlängen haben die Buchstaben b,d,h,i und l ausgebildet, Unterlängen weisen g, p, q auf. Im 8.Jh. werden die K. durch die karolingische Minuskel und ihre Gebrauchsformen verdrängt, zu erneuten kursiven Bildungen kommt es wieder im 13.Jh. und K. hat sich bis in die Gegenwart im Schriftwesen behauptet. Sonderformen der K. sind die päpstliche Kurialschrift, die bis in die zweite Hälfte des 11.Jh. in der Papstkanzlei in Gebrauch blieb, bei stadtrömischen Notaren sogar noch darüber hinaus, die Kurialschrift der süditalienischen Notare, die wegen Unleserlichkeit von Friedrich II. 1231 verboten wurde, sich aber noch bis ins 14.Jh. hinein in Gebrauch hielt, sowie die litterae caelestes , die römisch-byzantinische Kaiserk., deren langgezogene Formen die Elongata, die urkundliche Auszeichnungsschrift seit der Karolingerzeit , beeinflußt haben dürfte.


Ligatur (Buchstabenverbindung)

Verbindung von zwei oder mehr Buchstaben, wobei i.d.R. Teile der Buchstaben zur Deckung gebracht werden. Die Grundform der Buchstaben kann zur Bildung der L. auch verändert werden. Zunächst in der Spätantike am Zeilenende zum Randausgleich benutzt, in der Kursive und in späteren buchschriftlichen Alphabeten oft zur Beschleunigung der Schreibgeschwindigkeit dienend, wird sie in der einzelnen Schriftart nach bestimmten Regeln angewandt. Besonderer Ligaturenreichtum ist in epigraphischen Schriften festzustellen, wobei bisweilen sogar die Schriftrichtung umgekehrt werden kann. Aus den handschriftlichen Vorlagen auch in die Schriftsätze des Buchdrucks übernommen; im Dt. nur noch & in Verwendung, in anderen Spr. æ, ́. Auch ß ist ursprünglich eine Ligatur aus einem s in der Langform und einem Rund - s. sz ist eine völlig ahistorische, nur am Erscheinungsbild und nicht an der Genese orientierte Bezeichnung.
-> Epigraphik, Paläographie


Rotunda .

Bezeichnung für vorwiegend in Italien, besonders in Bologna ( littera Bononiensis ) verwendete Schriftvarianten der gotischen Minuskel, die seit dem Ende des 12.Jh. nachweisbar sind. Die in Frankreich und Deutschland, aber auch in der Beneventana übliche Brechung ist durch gerundete Formen ersetzt . In Deutschland wird sie erst im 15.Jh. häufiger verwendet, ihre Formen wurden auch im Buchdruck übernommen. Die Bezeichnung R. stammt aus der Terminologie der Schreibmeister.


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Textura.

Bezeichnung für die gotische Buchschrift, die durch Streckung und gerade Aufrichtung sowie Brechung der Schäfte, seit Anfang des 13.Jh. auch durch die Bogenverbindung einander zugewandter Bögen (z.B. be) und den Anschluß des Rund-r aus der or-Ligatur an die Bogenbuchstaben b,d,h,p,v,y gekennzeichnet ist. Das geschlossen wirkende Schriftbild ist auch durch Haar- und Schattenstriche geprägt. Im 15.Jh. wird die Textura vielfach durch Bastarda ersetzt, wozu auch die zunehmende Verwendung von Papier, das für das Schreiben von T. weniger geeignet ist, beigetragen hat. Für liturgische Texte und Schulbücher wird T. auch im Frühdruck verwendet.

Wolfgang Oeser, Beobachtungen zur Strukturierung und Variantenbildung der Textura. Ein Beitrag zur Paläographie des Hoch- und Spätmittelalters, AfD 40 (1994) S.Ê359–439


Unziale .

Aus Capitalis und Maiuskelkursive gebildete Maiuskelschrift, zu deren runden Formen der Beschreibstoff Pergament und die Einführung der Feder an Stelle des Rohrs beigetragen haben. Die von Hieronymus geprägte Bezeichnung litterae unciales wurde erst von Mabillon auf die jetzt U. bezeichnete Schrift bezogen, die vom späten 4. bis ins 8. Jh. hinein als Hauptschriftart für christliche Texte verwendet wurde. Sie dürfte im 2.Jh. n.Chr. in Rom entstanden sein, früher nahm man Entstehung im christlichen Nordafrika im 4. Jh. an. Die römische U. wurde in England weiterentwickelt und durch die Missionare wieder bis nach Italien zurückgebracht. -

Schriftbeispiele


Urkundenschrift .

Für die Verwendung in Urkunden bestimmte Variante von Schriftarten, die vor allem kursive Elemente wegen der Beschleunigung der Schreibgeschwindigkeit , besonders betonte Ober- und Unterlängen und das diplomatische Kürzungszeichen aufweist. Zu den älteren Urkundenschriften gehören die litterae caelestes der byzantinischen Kaiserkanzlei, eine Abart der Minuskelkursive, und die diplomatische Minuskel, deren Entstehung mit dem Kanzler Ludwigs des Deutschen, Heberhard, in Verbindung gebracht wird. Aus dem späteren MA. sind Schreibregeln für die Gestaltung von Urkunden z.B. aus der Papstkanzlei überliefert, die auch die sonstige graphische Ausstattung und ggfs. Regeln für Korrekturen enthalten, da Fehler die Rechtsgültigkeit eines Dokuments in Frage stellen konnten.


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 © Horst Enzensberger 2000.
Letzte Änderung 2010-02-21

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