Eine docx-Version (Stand 6. März 2015) erhalten Sie hier.
Königs- bzw. Kaiserurkunde |
Papstprivileg |
Protokoll
Kontext
|
Protokoll
|
in dieser Art z.B. in den Diplomen Heinrichs II. |
in den "Litterae" und den Bullen im eigentlichen Sinne fehlen die Zeichen und die Unterschriften; in den Delegationsreskripten entfällt auch die Arenga. |
Eine Übersicht zum Aufbau mittelalterlicher Urkunden hat ebenfalls Oliver H. Herde, Magister der Geschichte an der TU Berlin vorgelegt , der auf seinen "Historischen Seiten" auch andere Informationen bietet.
Zu Ausarbeitungen Bamberger Studierender über die Struktur von Urkunden kommen Sie hier.
Am Beginn einer überwiegenden Zahl von Urkunden des Mittelalters steht eine Anrufung Gottes, die sowohl in symbolischer Form, meist durch ein Kreuz, als auch verbal ausgedrückt werden kann. Häufig treten beide Formen nebeneinander auf. In den fränkischen und deutschen Königsurkunden steht das Chrismon.
Ohne jede Form der Invocatio sind die päpstlichen litterae und die meisten königlichen Mandate seit dem 12. Jahrhundert, in den älteren päpstlichen Privilegien steht eine symbolische Invocatio in Form des Labarumzeichens, eine verbale Invocatio fehlt jedoch auch in ihnen.
Santifaller, Leo: Über die Verbal-Invokation in Urkunden . Graz u.a. : Böhlau, 1961. - 20 S. (Österreichische Akademie der Wissenschaften <Wien> / Philosophisch-Historische Klasse: Sitzungsberichte ; 237,2)
Die Notwendigkeit einer Legitimation der Herrschaft - sie wird als Zusatz zum Titel zum Ausdruck gebracht, der in der älteren Diplomatik als Devotionsformel mißverstanden worden war - wird von Weltlichen wie von Geistlichen empfunden, nur die Päpste verzichteten in ihrem seit Gregor I. festliegenden Titel auf jegliche Legitimation, will man nicht servus servorum Dei als besonderen Ersatz dafür ansehen. Adalbertus Samaritanus führt in seinem Kommentar zum Briefe Paschals II. an Heinrich V. die päpstliche Titelform auf die Auseinandersetzungen zwischen Gregor dem Großen und dem Patriarchen von Konstantinopel, Johannes Nesteutes, zurück.
Die humilitas nennt ebenfalls der Gebrauch der päpstlichen Kanzlei unter Cölestin III. als Begründung für diesen Verzicht. Für Thomas von Capua ist der Grund: quia imitator est humilis Christi . Dieser Autor beschränkt die Verwendung von Dei gratia auch auf höher gestellte Personen .
Auch außerhalb der römischen Kurie haben die Autoren der ars dictaminis diese Regeln der päpstlichen Kanzlei beschrieben und sich auch Fragen nach den Gründen für diesen Brauch gestellt. Ludolf von Hildesheim ( nach 1240) hält zunächst fest, daß Geistliche sich der dei gratia- Formel bedienen, daß von den Laien aber nur die Kaiser, Könige, Herzöge, Markgrafen und einige bedeutende Grafen das Recht hätten, ebenfalls diese Art der Legitimationsformel zu verwenden. Zur Erklärung nimmt er an, Stil und Klang würden nicht zum Titel des Papstes passen. Dies stimmt nun zwar nicht mit den offiziösen Versionen überein, im Rahmen der Brieflehre ist dies jedoch eine rationale Begründung, die zwar vielleicht nicht das Handeln der Kanzlei erklären kann, aber ein Bild davon vermittelt, wie dies auf Außenstehende gewirkt hat. Für das Bild der Kurie sind die Beobachtungen und Erfahrungen derer, die als Petenten mit ihr zu tun hatten und die diese Erfahrung dann auch in meist kritischer Form aufgezeichnet haben, trotz oder gerade wegen ihrer Parteilichkeit von besonderem Wert.
Weitere Informationen zu den Titulaturen auf einer Seite der Ringvorlesung 2002.
Die Grußformel steht in sachlicher und syntaktischer Verbindung mit der vorhergehenden Adresse, in welcher der oder die Empfänger genannt werden. Die Wahl der Grußworte richtet sich nach der Zuordnung der Partner, aber auch nach sachlich- inhaltlichen Kriterien. Das Verbum fehlt, wie schon Guido Faba in seiner "Doctrina privilegiorum" vermerkt : ...et nota quod in privilegiis sicut in salutacionibus verbum non ponitur, set intelligitur concedit, indulget vel aliud simile.
Der Adressat einer Urkunde ist nicht immer der dadurch Begünstigte bzw. der Antragsteller. In Mandaten, die auf einen individuellen Antrag zurückgehen, wird der Impetrant in der Narratio genannt.
Die wohl bekannteste Salutatio ist die der päpstlichen Urkunden: salutem et apostolicam benedictionem
Die rhetorische Begründung für die Ausstellung einer Urkunde ist zunächst meist allgemeiner Art. Auf den konkreten Fall bezogene Formulierungen sind selten, lassen sich aber zumindest seit dem 12. Jh. immer wieder nachweisen. Häufig enthalten die Arengen Aussagen über Aufgaben und Pflichten, die mit dem Amt des Urkundenausstellers verbunden sind.
Für den Diktatvergleich bieten sie das umfangreichste Material; vom 13. Jh. an werden etwa in der Papstkanzlei stereotype Arengenmuster , in Anlehnung an die Handbücher, immer wieder verwendet, in der Regel jedoch sind bestimmte Muster mit bestimmten Sachverhalten verbunden ( Quoniam ut ait apostolus wird z.B. in päpstlichen Ablaßurkunden gesetzt und vom 4. Laterankonzil geradezu verbindlich vorgeschrieben ).Das päpstliche Privilegienformular für Nonnen hat folgende Arenga:
Prudentibus virginibus que sub habitu religionis accensis lampadibus per opera sanctitatis iugiter se preparant obviam sponso ire, sedes apostolica debet patrocinium impertiri ne forte cuiuslibet temeritatis incursus aut eas a proposito revocet aut robur, quod absit, sacre religionis enervet. Mit Eapropter wird die anschließende Narratio und Dispositio auf die Arenga bezogen.Weitere Textbeispiele von Arengen (Kaiser- und Königsurkunden; Papsturkunden) erreichen Sie durch Anklicken.
Im Anschluß an die rhetorische Argumentation der Arenga, oder, falls diese fehlt, unmittelbar nach der Salutatio wendet sich der Urkundenverfasser an eine mehr oder minder genau definierte Öffentlichkeit, die vom Inhalt der Urkunde Kenntnis nehmen soll. In der Regel ist die Narratio als untergeordneter Satz zur Promulgatio formuliert, der durch verschiedene Konjunktionen eingeleitet werden kann. Oft steht quod , es finden sich aber auch andere Formen wie qualiter. Traditionsnotizen beginnen überhaupt meist mit einer Promulgatio.
In diesem von der Promulgatio eingeleiteten Teil erfolgt die Schilderung des Sachverhalts und der besonderen Umstände der jeweiligen Urkundenausstellung. Trotz dieser konkreten Elemente und Aussagen kann sich in einer Kanzlei doch eine gewisse formelhafte Tradition ausbilden, da bestimmte Sachverhalte immer wieder vorkommen und dann nur das Einsetzen konkreter Namen in eine vorgefertigte Formulierung notwendig ist. Begründungen für das Tätigwerden des Ausstellers kommen dabei ebenfalls häufig vor; vor allem der Nutzen für das Seelenheil oder die memoria des Ausstellers oder seiner Verwandten spielen dabei eine Rolle. In den älteren Königsurkunden werden hier die Intervenienten genannt, die sich zu Gunsten des Antragstellers verwandt haben.
Beschrieben werden kann auch der Vorgang der Impetration, wodurch der Geschäftsgang einer Kanzlei genauer erkannt werden kann.
In Reskripten wird der Vortrag des Klägers wiedergegeben, dessen Wahrheitsgehalt im weiteren Verlaufe des eingeleiteten Verfahrens erst noch zu überprüfen ist.
Die Aussage über den rechtlich besonders erheblichen Kern einer Urkunde findet sich in einem Satz, der durch ein Verbum —oder auch mehrere — des Schenkens oder Zugestehens geprägt ist. Bevorzugtes Tempus ist das Perfekt, dem die Vorstellung einer der Beurkundung vorausgehenden Rechtshandlung zugrundeliegt. Allerdings kann, vor allem in Mandaten, stattdessen das Präsens zur Anwendung kommen.
Die Dispositio als Aussage über die eigentliche rechtliche Verfügung der Urkunde enthält daher wichtige Informationen zur Geschichte, in der Regel zur Besitzgeschichte, des Urkundenempfängers. Typisierende Formulierungen werden nicht ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse benutzt; als Beispiel sei auf die verschiedenen Vorlagen verwiesen, die das Formularium Audientiae für die Narratio der Formel "Ea, que de bonis" (ein Beispiel Clemens V.) zur Verfügung stellt.
Insgesamt lassen sich bei der spätmittelalterlichen Standardisierung der Privilegienformulare und der Muster für andere Urkundentypen gewisse Vereinheitlichungen erkennen.
Zur Sicherung des Rechtsinhalts werden die Urkunden mit Strafandrohungen für Zuwiderhandelnde versehen, die materielle oder spirituelle Strafen, manchmal auch beide Arten für den Fall des Falles vorsehen. Über die Realisierung dieser Strafen sind wir schlecht unterrichtet. Zudem sind die Strafgelder oft unrealistisch hoch, was anscheinend mit dem Stand des Urkundenausstellers, manchmal mit dem des Empfängers zusammenzuhängen scheint. Die materiellen Strafbestimmungen nennen Bußgelder, bei denen sowohl die Höhe als auch die Währung, in der sie angegeben werden, nach den örtlichen Verhältnissen variabel sind. Die Teilung zwischen Aussteller und Empfänger scheint der Normalfall zu sein, wenn auch in unterschiedlicher Proportion. Noch schwieriger ist es, die Wirkung geistlicher Strafen zu beurteilen. Hier ist es nur im Falle der angedrohten oder latae sententiae verhängten Exkommunikation möglich, eine Strafwirkung festzustellen - falls nämlich der Bestrafte sich später um die Lösung von der Exkommunikation bemüht und sich dieses Bemühen in den Quellen, vor allem in Urkunden, die sich auf die Lösung vom Kirchenbann beziehen, niedergeschlagen hat. Im späteren Mittelalter tritt dann in den weltlichen Herrscherurkunden, vor allem in Mandaten, als Sanktion die Androhung der herrscherlichen Ungnade, der indignatio auf. Dies ist wohl als weltliches Gegenstück zu der in den Urkunden geistlicher Herren vorkommenden Exkommunikation zu sehen.
Eine größere Vielfalt an Möglichkeiten gibt es bei der Formulierung einer spirituellen Pön . Einen besonders umfangreichen Katalog finden wir in Italien, vor allem im Süden, der vom Anathem der 318 Väter des Konzils von Nikaia bis zu Kain, Abiron oder Judas reicht. Weniger reichhaltig ist das Angebot nördlich der Alpen. Immerhin kommt in der alten bairischen carta die Form vor: partem habeat cum Iuda traditore.
In einer Urkunde des Grafen Roger I. von Sizilien für das Bistum Messina, angeblich 1087, aber eine Fälschung vom Ende des 12. Jh., heißt es: Contra quod quicumque sive de parentibus meis sive alienus venire et hanc donationem meam infringere temptaverit, excommunicetur a Patre et Filio et Spiritu Sancto et faciem omipotentis Dei numquam videat nec in regno eius portionem habeat, sed cum Iuda proditore domini eternis incendiis concremetur. Hier steht die Formel ganz am Ende der Urkunde, sogar nach der Datierung.
Die Beglaubigungsmittel für eine Urkunde und ihren Rechtsinhalt werden in der Corroboratio namhaft gemacht. Dazu sind Unterschriften oder die Beifügung von Zeichen, die Aufführung von Zeugen und die Besiegelung zu zählen. Als Begriffe finden sich corroborare, substantivische Ableitungen davon oder Synonyma, die eine Befestigung und Bestärkung des Rechtsinhalts der Urkunden zum Ausdruck bringen. Häufig wird angegeben, ob eigenhändige Beteiligung bei der Beglaubigung erfolgte. Dabei wird die Urkunde in einfacher Weise als pagina, scriptum, chartula, oder mit vergleichbaren allgemeinen Begriffen bezeichnet, vor allem im späteren Mittelalter.
Als konkretere Termini werden häufig substantivierte Formen der in der Dispositio verwendeten Verben gebildet, z.B. concessio zu concedimus, traditio zu tradimus, confirmatio zu confirmavimus u.dgl. Zunächst werden sie noch als attributiver Genitiv zu den allgemeinen Bezeichnungen gesetzt: paginam concessionis. Außer Einzeltermini können auch mehrgliedrige Begriffe gebraucht werden, die sich ebenfalls an den Formulierungen der Dispositio orientieren. Synonyma können dabei ebenfalls Anwendung finden, so restitutio und concessio in der Corroboratio, während in der Dispositio reddimus et ... donamus zu lesen ist.
Zu den Unterfertigungen der Urkunden gehören in den Diplomen Signumzeile mit Monogramm und Rekognitionszeile. Am Ende des Mittelalters finden wir in der Reichskanzlei die Herrscherunterschrift und Vermerke der zuständigen Kanzleibeamten, die in mediterranen Königsurkunden schon deutlich früher auftreten.
Die Privilegien der Päpste weisen in der ersten Phase das Benevalete in ausgeschriebener Form auf, in der zur Zeit des Reformpapsttums umgestalteten Fassung wird das Benevalete zum Monogramm. Hinzu kommen die Rota (seit Leo IX.) und die Unterschriften von Papst und Kardinälen.
Besonders ausgestaltete Zeichen verwenden auch Notare und Richter, anfangs Kreuze, aber auch monogrammatische Formen. Später verwenden die Notariatssignete auch heraldische Elemente.
Zeugenunterschriften können autograph (in subjektiver Formulierung) sein, vielfach stammen sie jedoch (in objektiver Formulierung) vom Notar, weisen dann aber in der Regel eigenhändig gesetzte Kreuze in individueller Gestaltung auf.
Aus dem Archiv von Montecassino (10. Jh.)
Signumzeile aus einem Dipom Karls des Großen
Monogramm Heinrichs III. Rekognitionszeile aus dem Diplom Heinrichs III. für St. Maximin zu Trier
Benevalete Leos IV. Monogramm Alexanders III. Unterschrift Alexanders III. Rota Alexanders III.
Das gesamte Eschatokoll mit den Unterschriften der Kardinäle und der Datierung des Privilegs Alexanders III. für S. Salvatore di Messina von 1175 sehen Sie hier.
Und in einem Kanzleihandbuch (Barb.lat. 2825, fol. 17r) finden sich die Muster für das Eschatokoll zur Zeit Johanns XXII.: Rota, Benevalete, Papstunterschrift, während das Beispiel für die Datierung als Papst Clemens VI. nennt.Weitere Ausführungen zu Unterschriften auf einer Seite der Ringvorlesung 2002.
Die Datierung fixiert von ihrem semantischen Ursprung her die Aushändigung der Urkunde an den Empfänger. In den deutschen Urkundenversionen ist dies bei "Gegeben ..." noch deutlich zu erkennen.
In Privaturkunden (z.B. Notariatsinstrumenten) findet sich die Datierung meist zu Beginn des Dokumentes unmittelbar nach der Invocatio. Bisweilen kommt auch die Aufspaltung der Datierungsteile auf den Beginn und das Ende des Textes vor.
Die Angabe von Regierungsjahren gehört zu den häufigsten Datierungselementen. Die Angabe der Indiktion war von Justinian I. für die Rechtsgültigkeit von Dokumenten als verbindlich vorgeschrieben worden.
Dieser Formelteil steht in der Regel am Ende der Datierung, meist als "Amen", oft auch mehrfach wiederholt, oder mit Adverbien verbunden, z.B. feliciter amen. ; . feliciter oder ähnliche Wendungen können auch alleinstehend verwendet werden .
zurück zum Ausgangspunkt
Fragen, Anregungen und kritische Hinweise sind willkommen. Klicken Sie hier.
Eingangsseite Hilfswissenschaften
Homepage Hilfswissenschaften
Homepage Mittelalterliche Geschichte
Zur Seite Diplomatik
Homepage der Universität
© Horst Enzensberger 1997. Letzte Änderung 12. März 2015