Beschreibstoffe


Bücher und Urkunden des Mittelalters sowie andere schriftliche Aufzeichnungen können auf verschiedenen Materialien geschrieben sein, auch wenn das Pergament für über acht Jahrhunderte fast eine Art Monopolstellung einnahm.


Beschreibstoff : Auf verschiedenen Materialien [Kerbholz, Papier, Papyrus, Pergament, Tontafel, Wachstafel] kann mit einem Schreibgerät Schrift sichtbar gemacht werden (Schriftträger) . Dies erfolgt auf Ton- und Wachstafeln durch Einritzen mit dem Griffel, auf dem Kerbholz durch Einschneiden mit dem Messer, auf Papyrus, Pergament und Papier durch Auftragen von Tinte mit Schreibrohr oder Feder, in einzelnen Fällen auch mit dem Pinsel.

Schreiber werden seit der Antike mit Attributen ihrer Kunst abgebildet (Figur des Amenophis aus dem Amuntempel zu Karnak, um 1370 v.Chr.; Ezra/Cassiodor aus dem Codex Amiatinus; ein Schreiber aus Paris. lat. 1 )

Neben den altorientalischen Tontafeln und den griechischen Ostraka kennen wir aus der Antike den Gebrauch von Wachstafeln, die zu Diptycha (zwei Tafeln) oder Polyptycha ( mehr als zwei Tafeln) vereinigt werden konnten. Im Mittelalter wurden Wachstafeln in der Schule (in neuerer Zeit durch die Schiefertafel ersetzt) und für das Rechnungswesen verwendet.

s.a. : Schreibgeräte, Wasserzeichen ; sonstige Materialien.


Wattenbach Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 31896. VIII, 670 S. (Nachdruck Graz 1958 )
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Santifaller Leo, Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im Mittelalter : mit besonderer Berücksichtigung der päpstlichen Kanzlei. Band 1: Untersuchungen . Graz u.a. : Böhlau 1953 [ MIÖG Ergänzungsband 16] - 220 S. Band 2 nie erschienen.

Thamm Willy, Das Restaurieren von Papier, Leder, Pergament und Papyrus, in: Mittelalterliche Handschriften aus dem Staatsarchiv Solothurn / von Ambros Kocher [ Veröffentlichungen des Solothurner Staatsarchivs, 7] Solothurn Staatsarchiv 1974.

Trost Vera, Skriptorium. Die Buchherstellung im Mittelalter. Stuttgart: Belser 1991.


Papyrus

Für Bücher wurde in der Antike der aus Pflanzenfasern hergestellte Papyrus verwendet. Für die Buchrollen wurden Einzelstücke aus zwei Lagen rechtwinklig zueinander gelegten und durch Pressen verbundenen Streifen des Papyrusmarks aneinandergeleimt. Da das Material für die Herstellung eines Buches in Codexform nicht geeignet war - Papyrus läßt sich nicht ohne Schäden falten - verdrängte vom 4. Jh. an das Pergament den Papyrus aus der Buchproduktion, blieb aber für Urkunden weiter in Gebrauch: bei den Merowingern, in Ravenna ; in der Papstkanzlei wurde Papyrus bis ins frühe 11. Jh. verwendet [ Fragment einer Papyrusurkunde mit dem Benevalete Leos IV., 849].
Da im Mittelalter Papyrus nur eine geringe Rolle spielte, ist die Papyrologie vor allem von den Fragestellungen der Altertumswissenschaften geprägt.

 

Boswinkel, E. - Sijpesteijn, P. J.: Greek papyri, ostraca and mummy labels. Amsterdam : A. M. Hakkert 1968.

Naphtali Lewis, Papyrus in classical Antiquity, Oxford 1974.

Papyri, ostraca, parchments, and waxed tablets in the Leiden Papyrological Institute (P.L. Bat. 25) / edited by F.A.J Hoogendijk and P. van Minnen ; with contributions by W. Clarysse ... [et al]. Leiden ; New York : E.J. Brill, 1991.

Blanchard Alain, Sigles et abreviations dans les papyrus documentaires grecs : recherches de paleographie. London : Institute of Classical Studies 1974.

 

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Pergament

Der verbreitetste Beschreibstoff des Mittelalters ist Pergament, das aus in Kalklauge gebeizter Tierhaut ( meist Schafs-, daneben auch Ziegen- und Kalbshaut ) hergestellt wird, die dann durch Abschaben gereinigt und aufgespannt getrocknet wird. Diese Arbeitsgänge sind in einer Michelsberger Hs. des 12. Jh. ( Bamberg Msc. Patr. 5, fol.1v) in einer Serie von Federzeichnungen, die die gesamte Herstellung eines Buches zeigen, dargestellt. Wir können also wohl davon ausgehen, daß ein gut organisiertes Skriptorium auch sein Pergament selbst vorbereitete und damit alle Arbeitsgänge "im Hause" durchführte.
Für Prunkhandschriften wurde purpurgetränktes Pergament verwendet - in seltenen Fällen auch für Urkunden (bekanntes Beispiel die Purpururkunde Ottos II. für Teophanu) - und mit Goldtinte beschrieben (als Beispiel hier eine Seite aus dem Evangeliar clm 23631, Anfang des 9. Jh.), in Italien wurde das Pergament im späteren MA. kalziniert, d.h. mit einem Kreideaufguß weiß eingefärbt.Während für Bücher Haar- und Fleischseite benutzt wurden, ist der Text von Urkunden auf der glatteren Fleischseite geschrieben worden, die Haarseite mußte daher weniger intensiv bearbeitet werden.

Aus den ältesten erhaltenen Abrechnungen des päpstlichen Kämmerers (aus der Zeit Bonifaz VIII.) kennen wir bereits eine Art frühes Recyclingverfahren: die in den Küchen des päpstlichen Haushalts anfallenden Tierhäute wurden an einen Händler übergeben, der dafür eine (geringere) Menge schreibfertiger Pergamentblätter lieferte.

Die Wiederverwendung teuren Rohstoffes führte auch zur Erscheinung des Palimpsests: der ältere, als inaktuell angesehene Text wurde entfernt (abgewaschen, radiert, neu geglättet) und neuer aktueller Text eingetragen. Die im 19.Jh. übliche chemische Behandlung zur Sichtbarmachung der älteren Schrift führte bisweilen zu Folgeschäden, heute werden weniger aggressive Verfahren (Quarzlampen, UV- Photographie und digitale Bearbeitung) eingesetzt.

Ein bekanntes Beispiel ist Vat.lat. 5757, wo Ciceros De re publica (Unziale des 4.Jh.) mit dem Psalmenkommentar des Augustinus (Unziale des 7.Jh.) überschrieben wurde.
Hier sehen Sie einen Ausschnit von fol. 200 .


Eine Abbildung von fol.6 finden Sie bei Stiennon - Hasenohr, S.182f. (voller Titel bei den paläographischen Handbüchern).

Papyrus und Papier sind wegen ihrer faserigen Beschaffenheit für diese Art der Wiedernutzung im großen Stil ungeeignet, obwohl auch auf ihnen kleinere Korrekturen vorkommen.

Pergamenthandschriften mit überholten Inhalten wurden in der Neuzeit nicht mehr palimpsestiert, sondern makuliert und für Buchbindearbeiten verwendet; größere Stücke konnten auch als Bezug für den Einbanddeckel benutzt werden. In diesem Nebenbereich der Einbandforschung konnten zahlreiche Fragmente interessanter Texte gewonnen werden. Derartige Funde werden in Biliotheken und Archiven gemacht (Beispiele aus dem Stadtarchiv Duderstadt) .

 


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Papier

Aus dem Orient wurde die ursprünglich chinesische Erfindung des Papiers, das sich seit dem 8.Jh. in der arabischen Welt verbreitete, nach Europa übertragen . Papierherstellung aus Textilfasern (Hadern) setzt in Europa im 13.Jh. im christlichen Spanien und in Italien ein, also zunächst im mediterranen Raum. Die Verwendung von Papier beim Schreiben von Büchern setzt sich allerdings nur sehr langsam durch, was auch mit den anfangs relativ hohen Preisen und der Schwierigkeit der Beschaffung zusammenhängen mag. Die älteste in Deutschland erhaltene Papierhandschrift ist das Briefbuch des Albert Behaim (clm 2574 b), während des ersten Konzils von Lyon dort geschrieben. Zentren der frühen Papierproduktion sind in Italien Fabriano (Museo della Carta) und Amalfi .
Schon für die Normannenzeit nimmt man die gelegentliche Verwendung von Papier für Mandate an; erhalten ist ein Original Friedrichs II. vom 18. April 1228, in Barletta ausgestellt (BF. 1723; im HHStA Wien; Abbildung in 1100 Jahre ... t. 7: voller Titel ):Der Kaiser beauftragt den Erzbischof von Salzburg und den Herzog von Österreich mit der Untersuchung und Entscheidung eines Streites zwischen dem Kloster Göß und dem Herzog von Kärnten. Das Stück weist vor allem in der Tagesdatierung Schäden auf.

In Deutschland werden Papiermühlen erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts errichtet (1390 durch den Nürnberger Ulman Stromer). Mit der Ausweitung der Produktion sinken die Preise, Papier wird konkurrenzfähig und verdrängt allmählich das Pergament. Zu diesem Verdrängungsprozeß trägt auch der Buchdruck bei, obwohl wir auch auf Pergament gedruckte Inkunabeln besitzen. In der Stromerschen Papiermühle wurde erstmals auch Papier für Verpackungszwecke (für Produkte der Nürnberger Handwerker: Draht- und Kleinmetallwaren) hergestellt.


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Wasserzeichen

Wasserzeichen, die durch ein auf das Schöpfsieb gelegtes geformtes Drahtstück gebildet werden, sind schon gegen 1300 in Gebrauch. Diese Zeichen sind vor allem als Fabrikmarken gebraucht worden und bieten eine Hilfe bei der Lokalisierung des Papiers und seiner Produktionsstätten sowie zur Datierung, sofern genügend Vergleichsmaterial vorhanden ist.

Besonders beliebte Motive sind Kronen, Anker, Ochsenköpfe, Fabeltiere, Hand und Handschuh, der Buchstabe P, Lilien oder andere Blumen (die Bände der Sammlung Piccard geben einen Überblick ).

 

allgemeine Nachschlagewerke:


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Spezielle Argumente (regional, zeitlich, Motive ):

Wasserzeichen(archive) im Netz:


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sonstige Materialien

Dazu gehören vor allem Wachstafeln (in neuerer Zeit auch Schiefertafeln). Stein, Metalle und Holz spielen vor allem für epigraphische Texte eine Rolle ( -> Epigraphik ).

 

Buccellati Giorgio: A cuneiform tablet of the early second millennium B.C. : Malibu [Calif.] : Undena Publications 1977.

Büll Reinhard, Wachs als Beschreib- und Siegelstoff. Wachstafeln und ihre Verwendung. In: ders., Das große Buch vom Wachs, 2 Bde., München 1977, S.785-894 = Vom Wachs. Höchster Beiträge zur Kenntnis der Wachse, Frankfurt/Main 1968 <gleiche Seitenzählung>

Bowman Alan K. - Thomas J. David

Pintaudi Rosario - Sijpesteijn Pieter J., Tavolette lignee e cerate da varie collezioni ; con i contributi di R.S. Bagnall ... [et al]. Firenze : Gonnelli 1989.

Les tablettes à écrire de l'antiquité à l'époque moderne. Actes du colloque international du C.N.R.S., Paris, Institut de France, 10-11 octobre 1990, edité par Élisabeth Lalou (Bibliologia 12), Turnhout 1992, Brepols, 356 S., zahlreiche Abb.
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Tinten und Schreibgeräte

wachstafel mit stilus

Schreibgeräte :

Sammelbegriff für die zum Schreiben notwendigen Werkzeuge, die für den verwendeten Beschreibstoff geeignet sein müssen. Der Griffel (graphium, stilus ) aus Holz, Bein, Bronze oder Silber mit einem abgeflachten Ende diente zum Beschreiben von Wachstafeln, bei Verwendung von Pergament für die Blindlinierung oder zum Einritzen von Notizen und Glossen, wofür im Hoch- und Spätma. Bleistifte ( stilus plumbeus ) benutzt wurden. Auf Papyrus und Pergament wurde in der Antike die Tinte mit dem Schreibrohr (calamus ) aufgetragen, das mit dem Messer zugeschnitten wurde. Im 4.Jh. setzte sich zum Schreiben auf Pergament die Tierfeder ( penna ) durch, die mit scharfen Federmessern je nach Schriftart und Tinte verschieden zugespitzt wurde. Die Spitze wurde oft auf freien Stellen in Federproben ( probatio pennae ) geprüft, meist einzelne Worte oder Anrufungen Gottes und der Heiligen. Zum Radieren wurden ebenfalls Messer benutzt. Federn, Messer und Tintenfaß, meist aus Horn, wurden von Schreibern oft als Schreibzeug griffbereit am Gürtel getragen. Kreide, Bimssteine zum Schärfen und Glätten, Lineal und ein Zirkel zum Einstechen der Markierungen für das Liniieren gehörten ebenfalls zur Ausrüstung des Schreibers, der in der Regel auf einem schrägen Pult schrieb.
In der Neuzeit kommen Metallfedern mit Halter, Füllfederhalter, Kugelschreiber und Faserschreiber hinzu. Pompeianische Wandinschriften wurden und Schriften moderner Künstler und Graphiker werden auch mit dem Pinsel geschrieben.

Tinte:

(lat. tincta , tinctura "Färben") . Bezeichnung für die flüssigen, überwiegend aus organischen Grundstoffen hergestellten Farbstoffe, mit denen die Bewegung des Schreibgeräts auf den Beschreibstoffen Papyrus, Pergament und Papier dauerhaft sichtbar gemacht wird und damit die lesbare Wiedergabe von Schrift erfolgt. Basis sind meist Galläpfel und Kupfervitriol , die in Wein, Regenwasser oder Essig gelöst wurden, daneben Weißdorn oder Schlehen. Schwarze und bräunliche Tinten, im Spätmittelalter auch graue und gelbliche, werden für die Texte benutzt, zur einfachen Auszeichnung dient minium (Ziegelrot). Für kalligraphische Exemplare kamen auch Gold- und Silbertinten zur Anwendung, nicht nur in Verbindung mit purpurgefärbtem Pergament. Das Quedlinburger Evangeliar ist dafür ein Beispiel.

 

Rockinger Ludwig, Geschichtliches über Tinte und sonstige Schreibbedürfnisse in Bayern , in Archivalische Zeitschrift 1, Heft 4 (1879) 293 - , 1, Heft 5 (1880), 166 - .

Bischoff Bernhard, Zu dem Verhalten von Tinte und Pergament in alten Handschriften, in: Archivalische Zeitschrift 36 (1974), Heft 69, S. 98 -

Leroy Julien, L' or dans les manuscrits grecs d' Italie, in: Rivista di Studi Bizantini e Neoellenici 14 - 16, 1977 - 1979, 115 - 123
Griechen. Süditalien. Handschriften. Kodikologie. Paläographie. Handschriftenkunde. Goldtinte. Beschreibstoffe.

Trost Vera, Gold- und Silbertinten: technologische Untersuchungen zur abendländischen Chrysographie und Argyrographie von der Spätantike bis zum hohen Mittelalter. - Wiesbaden: Harrassowitz 1991.

Maywald-Pitellos Claus, Die Schreibtinten. 2003

Schopen Armin, Tinten und Tuschen des arabisch-islamischen Mittelalters : Dokumentation - Analyse - Rekonstruktion ; ein Beitrag zur materiellen Kultur des Vorderen Orients. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006.


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Information aus der Forschung

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© Horst Enzensberger 1999. Letzte Änderung am 28.05.2007