Schriftarten


Diese Stichworte stehen derzeit zur Verfügung: Antiqua; Bastarda; Beneventana; Buchschrift; Capitalis; Fraktur; gotische Minuskel; Halbkursive; Halbunziale; Kalligraphie; Kanzleischrift; karolingische Minuskel; Kurrentschrift; Kursive; Lateinschrift ; Ligatur; Nationalschriften ; Rotunda ; Textura; Unziale; Urkundenschrift.


Lateinschrift.

Neuzeitlicher Sammelbegriff für die evident auf die römischen Schriften zurückgehenden Schriftarten, die für Texte in lateinischer Sprache im Gebrauch waren, im Gegensatz zu den Schriftarten für volkssprachliche Texte in der Dichotomie des deutschen Schriftwesens der Neuzeit. Im engeren Sinn meint Lateinschrift die römische Buchstabenschrift, die aus der griechisch beeinflußten etruskischen Schrift abgeleitet und seit dem 6.Jh. v.Chr. zunächst epigraphisch nachzuweisen ist. Ursprünglich boustrophedon geschrieben, setzte sich bald die Rechtsläufigkeit durch. Anfangs umfasste das Alphabet 21 Buchstaben und drei griech. Zahlzeichen, zur Zeit Ciceros wurden zur Wiedergabe griechischer Termini y und z wieder aufgenommen, sodaß das Alphabet 23 Buchstaben enthielt .

Eine mitelalterliche Ergänzung zur Wiedergabe deutscher Texte ist das w ; die systematische Unterscheidung von vokalischem u und konsonantischem v sowie von halbvokalischem j ist neuzeitlich, obwohl die Formen bereits im MA vorkommen, aber im Lautwert noch nicht festgelegt sind.

Die Schreibung der am Anfang stehenden Maiuskelschriften (die Größe aller Buchstaben ist durch ein Zwei-Linien-Schema angebbar) erfolgte zunächst ohne Worttrennung, die systematisch erst mit der karolingischen Minuskel (Vier-Linien-Schema, d.h. Buchstaben können Ober- oder Unterlängen oder beides aufweisen) verbreitet wurde.

Epigraphisch wurde zuerst die Suspension als Kürzung angewandt, bei der nur der oder die Anfangsbuchstaben des Wortes oder seiner Silben erhalten bleiben und die Endung wegfällt, sodaß die Flexionsformen nicht erkennbar sind. Nur der Plural konnte durch Verdoppelung des am Ende des Kompendiums stehenden Buchstabens gebildet werden (IMPP = imperatores ). Daneben wurden Tachygraphie und Spezialzeichen (-> Noten) im Buchwesen verwendet. Mit den Nomina sacra wurde die Kontraktion zur Hauptform der ma. und neuzeitl. Abbreviaturen, da mit ihr Beginn und Endung eines Wortes wiedergegeben werden können. In spätma. wiss. Texten gibt es zahlreiche radikale und individuelle Kürzungen. Im 20.Jh. folgt die Neubildung von Begriffen durch Kürzung i.d.R. dem Prinzip der Suspension ( Bafög, BRD, DDR, UNO usw.).

Buchstaben können aus starren Elementen (Bögen und Schäften) in der Kalligraphie statisch gebaut oder im flüssigen Duktus der Kursive durch Zusammenfassung der statischen Elemente , auch unter Änderung der Schreibrichtung, gezogen werden, wobei die Beschleunigung des Schreibtempos zur Verflachung von Kurven führt. Um 300 n.Chr. liegen die Buchstaben des Alphabets in ihren Grundformen fest, in der Folgezeit gibt es noch schreibtechnisch bedingte Veränderungen. Wandlungen und Neubildungen von Buchstabenformen erfolgen im Spannungsfeld von Kursive und Kalligraphie durch organischen, schrift- und materialgerechten Aufbau der funktionell zerlegten Buchstabenelemente. Dabei kann es vor allem zur Veränderung der Bewegungsrichtung kommen.

Hauptschriftart ist bis ins 5.Jh. n.Chr. die Capitalis [Beispiele], daneben stehen als Gebrauchsschrift die Majuskelkursive, seit dem 3. Jh. n.Chr. die Minuskelkursive. Unziale [Beispiele] und Halbunziale lösen die Capitalis als Buchschrift ab, daneben entwickeln sich die Nationalschriften. Zur wichtigsten Form wird die Karolingische Minuskel, die gegen 1200 von der gotischen Minuskel verdrängt wird. Mit der Wiederaufnahme der Karolingischen Minuskel durch die Humanisten (Antiqua) und der Erfindung des Buchdrucks ist die Entwicklung der Lateinschrift im Wesentlichen abgeschlossen.
Auch Schriftfonts von Computern beruhen in der Regel auf bekannten Formen des Buchdrucks oder der Schreibmaschine.


Lit.

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Nationalschriften.

Auf Mabillon zurückgehende Sammelbezeichnung für regionale Schriftentwicklungen in den germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit ( gothica, langobardica, saxonica, francogallica ), die von ihm noch als nationale Schriftprägungen angesehen , aber von Scipione Maffei (1675-1755) bereits als Fortentwicklung der römischen Schrift erkannt wurden.
Heute versteht man darunter neben den vorkarolingischen Minuskeln im fränkischen Reich die westgotische Schrift, die insularen Schriften, die Beneventana , die päpstliche Kurialschrift ( eine Kursive), die langobardische Schrift und die merowingische Urkundenschrift, während die regularisierte Buchkursive meist nach den Zentren Luxueil und Corbie benannt wird.
Die karolingische Schriftreform überlebten die westgotische Schrift auf der Pyrenäenhalbinsel und in Südwestfrankreich bis etwa 1100 - bei den Christen unter muslimischer Herrschaft als mozarabische Schrift bezeichnet - , die Beneventana im langobardisch beherrschten Süditalien und in Dalmatien bis ins 14.Jh. und die insularen (irische u. angelsächsische) Schriften (6.-12.Jh., in Irland teilweise bis in die Neuzeit), deren Verwendung in kontinentalen Schreibschulen (Fulda, Würzburg) durch die karoling. Minuskel, wenn auch nicht schlagartig, beendet wurde.

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Beneventana

Diese Schrift ist die erste, der durch den Traube - Schüler Lowe eine wissenschaftliche Monographie gewidmet wurde. Sie ist durch Ligaturen, Bogenverbindungen und vor allem die Brechung der Schäfte gekennzeichnet. Ein frühes Beispiel ist die Bamberger Cassiodor - Handschrift Patr. 61. (Hier der berühmte Explicit - Vermerk mit dem Begriff archetypus )

Ausschnitte aus der Vita des Hl. Benedikt sehen Sie hier (Vat.lat. 1202, Montecassino 11.Jh. )

Ein Beispiel aus Vat.lat. 4958, einem Martyrologium des späten 11. Jh., findet sich auf den Informationsseiten zu einer Faksimileveröffentlichung der Gregoriana.


Loew Elias Avery [= Lowe ] , The Beneventan Script. A Histoy of the South Italian miniscule, Oxford 1914 [ seconda edizione a cura di Virginia Brown, Roma 1980 {Sussidi eruditi, 33 - 34} ]


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© horst enzensberger. Letzte Änderung am 7. August 2013