Mittelalterliche Kürzungssysteme


Während in der Antike das Prinzip der Suspension vorherrschte, das uns vor allem in zahllosen epigraphischen Beispielen überliefert ist, setzt sich im Mittelalter das Prinzip der Kontraktion durch, das den christlichen Schreibern durch das System der Nomina Sacra vermittelt worden war. Zeichen der Kontraktion ist immer der Kürzungsstrich, der in einfachen Fällen auch nur m oder n ersetzt.

Daneben blieben vom System der römischen Kurzschrift (Tironische Noten) das Zeichen für et in Gebrauch (& ist dagegen keine Kürzung, sondern eine Ligaturform). Auch aus den Notae iuris überdauerten etliche die Spätantike.

Ein Vorlesungsmanuskript zu den tironischen Noten von Karl Eberhard Henke steht in der elektronischen Bibliothek der MGH zur Verfügung.

Heute ist wieder das System der Suspension vorherrschend, um aus den Anfangsbuchstaben verbreitete Siglen zu bilden: DFB, UEFA; KFOR, UNO; CDU, FPD, SPD; TSV, FC; BaFöG; VW, GmbH, BGB, DGB, usw.; nicht zuletzt W(orld)W(ide)W(eb).


Nomina sacra [ lat. nomen "Namen", sacrum "heilig" ] Bezeichnung für die in den christlichen, in griechischer Unziale geschriebenen Schriften benutzten häufigen gekürzten Substantive, die in Anlehnung an das jüdische Tetragramm nach dem Prinzip der Kontraktion gebildet wurden, damit also auch die Deklinationsform erkennen liessen. Als Kennzeichen der Kürzung dient der über die Buchstaben gesetzte Strich (Kürzungsstrich). ΘΣ θεός, ΚΣ κύριος , ΠΝΑ πνεῦμα, ΠΗΡ πατήρ, ΟΥΝΟΣ οὐρανός, ΑΝΟΣ ἄνθρωπος, ΔΑΔ Δάυειδ, ΙΗΛ Ἰσραήλ, ΙΗΛΜ Ἰερουσαλήμ , ΙΗΣ Ἰησοῦς, ΧΡΣ Χριστός, ΥΣ ὑιός, ΣΗΡ σωτῆρ, ΣΤΡΟΣ σταυρός, ΜΗΡ μήτηρ

Nach der Übernahme ins Lateinische (DS deus, DNS dominus, IHS Iesus , XPS Christus , SPS spiritus , DD David , PR pater , IHLM Ierusalem , MR mater.) und der Bildung von Analogieformen (SCS sanctus , NR noster, EPS episcopus, PBR presbiter ) haben die Nomina Sacra zur Verbreitung der Kontraktionskürzung mit beigetragen. Bei ihs (ihc) und xps (xpc) wurden die griechischen Buchstabenformen mit übernommen, auch bei anderen treten öfters Gräzismen auf (c für s ). Die Anwendung erfolgte dann auch in profanen Textzusammenhängen, besonders bei dns und pr . Auch im Koptischen, Gotischen und Altkirchenslavischen angewandt. Für die Gestaltung der Großschreibung in Luthers Bibelübersetzung waren die Varianten der Schreibung der Nomina Sacra ebenfalls Vorbild: HERR, HErr.

Lit.:

Hilfsmittel

andere Schriften

 


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 © Horst Enzensberger 2000. Letzte Aenderung am 2. Mai 2008