Ringvorlesung: Zeichen 27. Mai 2002
Illuminierte Urkunden
Im späteren Mittelalter kommt es auch zu Ausfertigungen von
illuminierten und farbig gestalteten Urkunden, die meistens ein besonderes
Interesse der Auftraggeber verraten, was besonders für die
Prunksuppliken gilt. Ein erster Höhepunkt ist die Zeit Kaiser Ludwigs
des Bayern, dessen Prunkurkunden von Meister Leonhard von München
stammen . Sie zeichnen sich durch die Miniaturen in den Initialen aus, die
auch interessante Darstellungen mittelalterlicher Vorgänge enthalten.
Neben dem bekannten Privileg Ludwigs für den Deutschen Orden sei auf
die Bestätigung der Errichtung des Heiliggeistspitals in Nürnberg
von 1341 hingewiesen .
Im
Staatsarchiv Bamberg lagert die Prunksupplik des Markgrafen Albrecht
Achilles , die 1476 - 1478 zu datieren ist . In der Initiale B von
Beatissime Pater, der Anrede an den Papst, ist das Wappen Sixtus IV.
(Della Rovere) zu sehen. Mit dieser genehmigten Supplik, die dem
Antragsteller bzw. seinem Prokurator wieder ausgehändigt wurde,
verzichtete die Kurie auf die Ausstellung einer eigentlichen Papsturkunde
über den beantragten Gnadenerweis, hier die Wahl eines eigenen Beichtvaters
durch den Markgrafen und seine Gemahlin, was für den Petenten eigentlich
als ökonomischer Vorteil und für die Kurie als Verwaltungsvereinfachung zu
betrachten war. Da anscheinend diese Art der Bewilligung, die schon unter
Eugen IV. nachweisbar ist und seit der Zeit des Papstes Nikolaus V. eine
geläufige Möglichkeit gewesen zu sein scheint , von vorneherein angestrebt
war Ñ sie mußte ausdrücklich beantragt werden (Antragsklausel: Sola
signatura ), wurde aber keineswegs immer bewilligt Ñ, hat man darauf
geachtet, die Supplik, die mit den römischen Unterschriften dann den
eigentlichen urkundlichen Rechtstitel darstellte, bereits entsprechend
prunkvoll auszustatten. Die Bewilligung erfolgte durch Concessum ut
petitur , d.h. es handelte sich um eine Routineangelegenheit, mit der der
Papst nicht unmittelbar befaßt wurde, sondern die vom Kanzleileiter
erledigt werden konnte. Diplomatische Rücksichten konnten allerdings wie
in unserem Falle dazu führen, daß eine ungewöhnliche Form gefunden wurde:
von der Kanzleinorm des concessum wich man nicht ab, aber die Bewilligung
erfolgte, wie im Vermerk registriert ist, in presentia domini nostri .
Unmittelbar vom Papst bewilligt wurde dagegen die Supplik Herzog Georgs von
Bayern- Landshut um geistliche Vergünstigungen aus der Zeit um 1494 . Das
Summarium ist mit Fiat. R. von Alexander VI. (Rodrigo Borgia) eigenhändig
genehmigt worden. Das Verfahren wie im Falle der markgräflichen Supplik
fand am 30. Oktober 1500 Anwendung bei der Bewilligung der Supplik der
Herzogin Hedwig von Bayern, Gattin des Herzogs Georg von Bayern- Landshut,
durch den Kardinalpresbyter von S.Praxedis, Antoniottus Pallavicini, in
Gegenwart des Papstes , wobei einige kleinere Streichungen in der Supplik
erfolgten . Der Schmuck besteht aus Ranken und zwei Wappenschilden, eines
mit dem bayerischen Herzogswappen, das andere mit dem polnischen
Jagellonenadler. Das Bild eines Papstes mit Tiara in der Initiale B findet
sich auf der Supplik der Brüder Nicola, Luigi und Ettore Ottobono mit
dessen Gemahlin Laura an Julius II. vom 3. Januar 1503, die im
Staatsarchiv Messina aufbewahrt wird. Die Genehmigung erfolgte durch
Concessum .
Häufig mit besonderer kalligraphischer Ausstattung wurden
Ablaßurkunden des Spätmittelalters versehen. Hier sollen nur
einige Beispiele genannt werden.
Der 1341 von 12 Bischöfen in Avignon
ausgestellte Ablaßbrief zugunsten einer dem Augsburger Kloster St.
Ulrich und Afra gehörenden Pfarrkirche weist eine Initiale U mit vier
farbigen Heiligenfiguren auf .
Nur durch die ornamentale
Ausschmückung des Initialbuchstabens und die Flores an den weiteren
Buchstaben des ersten Wortes Sacrosancta ist der Ablaßbrief
hervorgehoben, mit dem das Konzil von Basel am 8. April 1444 der Bamberger
Domkirche am Tag der Kirchweihe und am Tag der Heiltumsweisung bestimmte
Ablässe gewährt .
Vom 6. März 1491 stammt der
Ablaßbrief auf Pergament , den der Kardinalbischof von Porto, Rodrigo
BORGIA, der spätere Papst Alexander VI., zusammen mit achtzehn anderen
Kardinälen für die Dominikanerkirche S. Pietro in Udine
ausstellen ließ , in der eine Dornreliquie verehrt wurde. Die
Miniatur nimmt darauf Bezug, denn der Erlöser zieht einen Dorn aus der
Dornenkrone, die er trägt . Der Katalog vermutet den Ursprung der
Miniatur in einer umbrischen Schule.
Auf dem Ablaß für das
Antoniterkloster Tempzin in Mecklenburg von 1485, ebenfalls unter
Führung des Kardinals Borgia, ist wohl der Hl Antonius in der R -
Initiale dargestellt, der Test ist von einem Band mit Rankenornamenten
eingerahmt.
Sogar eine bildliche Darstellung des Urkundenausstellers, des
Kardinaldiakons von S.Angeli, Matthäus LANG, findet sich auf seiner
Urkunde vom 12.April 1516 für das Kollegiatstift St.Moritz in Augsburg
, mit der eine aus dem Nachlaß des Kanonikers Johannes Letzelter
errichtete Meßstiftung bestätigt und ein
fünfzigtägiger Ablaß verkündet wird . Der Name des
Ausstellers Matheus ist chrysographiert wie der des Kardinalbischofs von
Ostia, Raphael Riario, auf dem Ablaßbrief für die Kapelle zur
Schönen Maria zu Regensburg vom 2. Juni 1519 . Der illuminierte
Ablaßbrief, der von Raphael Riario und 16 weiteren Kardinälen
für Neustift bei Brixen am 22.9.1512 ausgestellt wurde, weist noch
alle siebzehn Siegel auf, ist illuminiert und mit Blumenranken
versehen.
Ein Portrait des Ausstellers, Herzog Albrecht V. von Bayern,
findet sich auch auf der Prunkurkunde über die Neugründung des
Jesuitenkollegs in Ingolstadt von 1576.
Zu den neuzeitlichen Beispielen
für Prunkausfertigungen weltlicher Herrscherurkunden gehört auch die
Urkunde des Dogen Pasquale CICOGNA von Venedig von 1586 , mit der die
Republik Papst Sixtus V. den Palast für die Residenz des päpstlichen
Vertreters überläßt . Sie ist mit einer Goldbulle versehen . Auf der
Recto-Seite ist der Doge ( dux ) mit seiner typischen Kopfbedeckung zusammen
mit dem Hl.Markus, der als Bischof dargestellt wird, abgebildet, auf der
Rückseite steht nur die Titelinschrift ohne bildliche Darstellung .
Auch
die Dienstbücher der venezianischen Magistrate sind im 16. Jh.öfters mit
einem farbigen Titelblatt versehen, auf dem in der Regel das Dogenwappen
abgebildet ist . Da diese Dienstbücher zugleich den Charakter einer
Ernennungsurkunde haben, sind sie ursprünglich auch besiegelt gewesen, bei
den Frankfurter Beispielen sind die Siegel jedoch verloren gegangen.
Mit
einer Abbildung versehen wurden die späteren Wappenbriefe, um eine
authentische Fassung des verliehenen oder bestätigten Wappens zu bieten .
© Horst Enzensberger 2002
Letzte Änderung am 6. Dezember 2003