Handschriftenkunde (Kodikologie)
Erforscht Entstehung, Heimat, Inhalt und Geschichte der Hss., um
Individualität zu erfassen und allgemeine Gesichtspunkte zur
Buchgeschichte zu gewinnen. Mittelalterliche Bücher sind mit der
Hand geschrieben - daher die geläufige Bezeichnung
Handschrift oder Manuskript - , erst
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts haben wir daneben
auch das gedruckte Buch ( Inkunabel
).
Die antike Buchrolle wurde im 4. Jh. weitgehend durch den
Codex verdrängt,
begünstigt durch die Verbreitung des Beschreibstoffes Pergament.
Allerdings blieben liturgische
Rollen weiter in Gebrauch ( hier
sehen Sie einen Ausschnitt aus dem
Benedizionale des
Archivio della Cattedrale zu Bari )
Untersucht werden Einband, Beschreibstoff mit Blatt- und
Lagenfolge sowie Format, Liniierung, Schrift mit Ermittlung der
beteiligten Schreiberhände, Kürzungen, Interpunktion,
Buchschmuck, spätere Einträge und Korrekturen,
Besitzvermerke. Auch die Gestaltung des Schriftspiegels, der meist
durch die Linierung vorbereitet ist, wird untersucht. Die Anordnung
von Schrift in Spalten findet sich zunächst auf der
Papyrusrolle. Zwei Spalten pro Seite finden sich zwar schon in
karoling.Hss., regelmäßig gilt diese Anordnung in
spätma.Hss., die bei normativen oder wissenschaftlichen Texten
meist auch noch auf dem Rand durch Glossen oder Kommentare umrahmt
werden. Aufgrund der Ergebnisse, vor allem der Paläographie,
läßt sich oft die Schriftheimat einer Hs. ermitteln. Daran
schließen sich Untersuchungen über die Bibliotheksheimat
und den Weg in die aufbewahrende Bibliothek an., wobei meist
erhebliche Veränderungen gegenüber den ma. Ursprüngen
zu registrieren sind.
Die möglichst genaue Bestimmung des Inhalts ist besonders bei
der Erstellung von Hss.katalogen von Bedeutung, wird bei neuzeitl.
Hss. aber weniger eingehend und oft ohne Nachweis von
Parallelüberlieferung vorgenommen.
Lit.
- Kirchner, J.: Germanistische Handschriftenpraxis : Ein
Lehrbuch für die Studierenden d. dt. Philologie. Mit 12
Schriftproben / Joachim Kirchner. - 2., erg.Aufl. München :
Beck, 1967. - VIII,132 S.
- L. Gilissen, Prolégomènes à la
codicologie. Gent 1977.
- Leroy Julien : Les manuscrits grecs d' Italie, in:
Codicologica 2. Éléments pour une codicologie
comparée, Leiden 1978, 52 - 71.
- Lemaire Jacques: Introduction a la codicologie .
Louvain-la-Neuve : Universite catholique de Louvain, Institut
d'etudes medievales, 1989
- Petrucci Armando: La descrizione del manoscritto :
storia, problemi, modelli / Armando Petrucci. - 1. rist. Roma : La
Nuova Italia Scientifica, 1987. - 214 S. (Aggiornamenti ; 45)
Literaturverz. S. [201] - 214. BR>
- Canart Paul: Paleografia e codicologia greca. Una
rassegna bibliografica (Subsidia studiorum, 2), Città del
Vaticano, Scuola Vaticana di Paleografia, Diplomatica e
Archivistica, 1991, pp. 131. ISBN 88-85054-10-2
(Littera antiqua, 2)
- Calames et cahiers : melanges de codicologie et de
paléographie offerts a Leon Gilissen / sous
la direction scientifique de Jacques Lemaire et Emile
van Balberghe. Bruxelles : Centre d'etude des manuscrits
1985.
- Paläographie
und Kodikologie in Deutschland, ein Beitrag von E.
Overgaauw aus der Online-Version der Gazette du Livre
médieval .
- Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der
frühen Neuzeit : Ergebnisse eines Buchgeschichtlichen
Seminars, Wolfenbüttel, 12. - 14. November 1990 ; [Paul Raabe
zum Abschied gewidmet] / Mit Beitr. von U. Baurmeister ...
[Hrsg. von Peter Rück ...] Marburg an der Lahn : Inst.
für Histor. Hilfswiss., 1994. - 204 S. : Ill. (Elementa
diplomatica ; 2) Beitr. teilw. dt., teilw. engl., teilw.
franz.
- Als vorbildliche Untersuchung eines Bibliotheksbestandes :
Hoffmann Hartmut: Bamberger Handschriften des 10. und des
11. Jahrhunderts (Monumenta Germaniae Historica Schriften 39)
Hannover: Hahn1995; XIII, 209 S.; 272 Tafeln
Zeitschriften:
- Manuscripta , 1 (1957) - ; herausgegeben von der Hill
Monastic Manuscript Library
(HMML), die leider keine
Inhaltsverzeichnisse anbietet.
- Gazette du livre médiéval , 1 (1982) -
- Ausgewählte Aufsätze zu Fragestellungen der
Kodikologie , oft grundsätzlicher Art, aus verschiedenen
Heften dieser Zeitschrift finden sie online
hier.
- Quinio. International Journal on the History and
Conservation of the Book, 1(1999) -
- Weitere Zeitschriften bei
Paläographie.
- Die Staatsbibliothek Bamberg ist
nach der Zahl der dort aufbewahrten Handschriften zwar nur eine
der kleineren Handschriftensammlungen, sie besitzt aber eine Reihe
einmaliger Zeugnisse der mittelalterlichen Handschriftenproduktion
(u.a. Livius- Fragmente aus dem 5.J h., die Historia
Naturalis des Plinius, die Institutionen des
Cassiodor, die Arithmetik des Boethius aus dem
Hofskriptorium Ludwigs des Frommen, das Autograph des
Geschichtswerks des Richer von Reims, die Reichenauer und
Seeoner Handschriften der Gründungsausstattung ). Zu 45
ausgewählten Beispiele finden Sie im WWW - Angebot der
Staatsbibliothek nähere Informationen, meist mit Abbildungen in
ordentlicher Qualität und bibliographischen Nachträgen. Hier kommen Sie zur
Liste
dieser Manuskripte.
- Handschriften werden im Netz vor allem wegen ihrer Miniaturen
gezeigt.
Besonders eindrucksvoll auch hier das Angebot der
Bibliothèque Nationale de France
(Übersicht
der im Netz vorgestellten Handschriften, u.a. Grandes Chroniques
de France, das Stundenbuch des Herzogs von Berry, Jean Froissart
und das Jagdbuch des Gaston Phébus).
- Weitere Handschriftensammlungen
mit Netzpräsenz sind auf meiner Seite ‘Buchformen’
verzeichnet.
- Im Netz ein neuer Beitrag von Klaus Graf :
Handschriftenforschung
im Internet mit einer Gebrauchsanleitung für die HAND -
Datenbank des Ehemaligen Deutschen Bibliotheks - Instituts in Berlin.
- Wichtig ist die Tätigkeit der
Kommission
für Handschriftenkunde der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften unter ihrem Obmann Otto Kresten. Neben einer Liste
von Internet -
Links bietet sie Übersichten über die
Handschriftenbestände
in Österreich und Online - Inventare (als Beispiel das Stift
Melk).
Der Server beherbergt auch die Internetausgabe der Gazette du
Livre mediéval:
- Linklisten von
Labyrinth
und aus
Köln.
- Linkliste
des Electronic Access in Medieval
ManuscriptS - Projekts.
- Umfangreiche Nachweise über das Netzangebot auf der VL - GHW.
Weitere Informationen über die Historischen Hilfswissenschaften
erschliessen die Inhaltsübersicht und das Abbildungsverzeichnis.
Über die Forschungsschwerpunkte informieren Sie diese Seiten sowie der offizielle
Forschungsbericht der Universität.
© Horst Enzensberger 2000.
Letzte Änderung am 4. Juli 2003